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Österliches Bogotá, eine Salzkathedrale und die Steingeheimnisse von San Agustín
Von Panamá hatte ich den Flieger nach Medellín, Kolumbien, genommen, da es keine Straße durch die Regenwälder der Landenge von Darién gibt – die einzige Lücke der Panamericana. Medellín war damals noch nicht das Drogenzentrum Kolumbiens, zu dem sie später zwischenzeitlich wurde. Das Klima erschien mir gefühlt wohltuend in dieser selbst ernannten „Stadt des ewigen Frühlings“. Damit schmückten sich aber selbstbewusst und euphorisch auch zig andere Orte in Lateinamerika. Auf jeden Fall ist diese zweitgrößte Stadt Kolumbiens klimatisch angenehmer als die größte, die Hauptstadt Bogotá.
Statt der Busfahrt dorthin hätte ich besser den Flieger nehmen sollen, denn die Fahrt dauerte fast zwei Tage. Ein Erdrutsch hatte hinter Manizales die Straße verschüttet. Bis die Räumbagger kamen, dauerte es Stunden, und weitere Stunden, bis der Bus die provisorische Schneise im Schritttempo befahren konnte. Alle beteten, dass nichts nachrutschte. Die Gebete wurden erhört und die anschließende Fahrt bei Nacht stand offensichtlich auch unter höherem Schutz.
Etwas Gutes hatte die langsame Busfahrt nach Bogotá. Ich konnte mich relativ langsam der Höhe Bogotás auf rund 2600 Meter anpassen - statt eines schnellen Höhenwechsels per Flug. Allerdings war ich die Höhe schon „gewohnt“, denn Mexico City liegt nur unwesentlich niedriger. Später auf der Südamerika-Route ging es nach La Paz, Bolivien, sogar auf rund 3500 Meter Höhe. Vorher, von Lima, Peru, per Bahn in die Anden kletterte ich sogar in wenigen Stunden kurzfristig auf 4 800 Meter – Mont Blanc-Höhe. Und alles ohne Beschwerden – ich danke hiermit nachträglich meinem damaligen Körper! Andere wurden weiß im Gesicht – ich blieb rosa.
Bogotá. Stichpunkte Tagebuch: Einfaches, aber zentrales Hotel gefunden, die Besitzerin wohnt auch hier, ihre Tochter ist in meinem Alter, geht mit mir ins Kino und bringt mir die "Cumbia", den Nationaltanz Kolumbiens bei, Schritt für Schritt, kräftesparend, schlurfend. Wir fahren per Zahnradbahn, dem Funicular hoch auf den Stadtberg Monserrate, einem Wallfahrtsort mit zu viel Rummel an diesem Wochenende. Die hier verehrte Christusfigur hätte einen fantastischen Rundblick auf die Stadt, wenn sie denn nicht in der Kirche hängen würde. Auch die zentrale Plaza Bolívar der Stadt ist vollgestopft mit Menschen, es ist Ostern und Luftballons scheinen "in" zu sein. - Lange Warteschlangen im berühmten Museo de Oro, dem Goldmuseum, die zentrale "Goldkammer" ist scharf bewacht. Eine Orgie in Gelbtönen. - Welch Zufall: Ich treffe Ben, den schwulen "Musiker" aus El Salvador, in einem Restaurant glücklich speisend mit einem Indiojungen. Ein paar kurze Worte, ich wollte nicht lange stören. - Ich lerne auch Heike aus Dortmund kennen, sie klagt, ihr sei ein Goldkettchen vom Hals gerissen worden, von einem Gamín, einem Straßenjungen, als sie auf einen Bus wartete. Selbst Schuld, dachte ich. Goldschmuck trägt man nicht auf solchen Reisen. |
Musikbeispiele Cumbia (externe Links): El Caimán - Cumbia Potpourri
Osterwoche in Bogotá - Palmsonntag und Prozession
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Kathedrale an der Plaza de Bolívar |
Gut trainierte Schuhputzer-Crew |
Nachschub vom Land |
Eingang zur Salzkathedrale, innen |
Unvergessliche "Unterwelt": die untererdige Salzkathedrale 80km nördlich von Bogotá in Zipaquirá - riesige Salzstollen gläubig umgenannt und erweitert in eine Gotteshöhle, es riecht dumpf, schummriges Halbdunkel, Salzkristalle glitzern, mächtige Salzkreuze, leere grobe Salzaltäre tief im Berg, verlassen vom heiligen Geist. Unter einem Christus-Kreuz liegen Pesoscheine wie Bestechungsgaben. Nur eine Kerze brennt noch. Hilft vielleicht die angeflehte "Jungfrau vom Rosenkranz"? Ein Bergarbeiter hilft sich selbst mit dem Verkauf von Salzkristallen. Er schaut ängstlich, denn offiziell ist der Verkauf untersagt. - Nach 1990 wird dann eine neue Kathedrale geschaffen, die alte aus Sicherheitgründen geschlossen. Schade. |
Mittelschiff der alten "Basilika", ca. 120 m |
Eine Station der Via Crucis, die
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Gründungstafel aus 1950, der
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Farbige Kristalle für wenige Pesos. Der Erlös ging wohl nicht an die Jungfrau vom Rosenkranz.
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Mit dem Bus ging es dann mehr als 500 km in den Süden Kolumbiens. Bei Girardot führte eine Brücke über den Río Magdalena, dem größten Strom des Landes, der hier erst ein Viertel seines Laufes hinter sich hat, aber schon ansehnlich breit und braun dahinfließt (Foto rechts). Das Ziel der Fahrt, San Agustín, liegt in seinem Quellgebiet. In Neiva und Pitalito war Umsteigen angesagt. Die Busse wurden immer klappriger. Kurz nach Pitalito, auf der Schotterstrecke kurz vor dem Dorf San Agustín, quetschte sich der Bus mit Mühe in Schritttempo und Zentimeterabstand an einem entgegenkommenden Laster vorbei, was nicht sonderlich beängstigend gewesen wäre, wenn seine profillosen Reifen nicht nur wenige Zentimeter Spielraum rechts zum Abgrund gehabt hätten. Von meinem Fensterplatz konnte ich direkt hinunter in den hier noch jungfräulich und teilnahmslos dahinplätschernden Río Magdalena blicken. Unten lag ein Autowrack. Während ich doch etwas schluckte, grüßte der Busfahrer unbeschwert heiter den Lastwagenfahrer.
San Agustín liegt auf rund 1800 Meter Höhe. Ein starker Regenguss empfing mich. Bei solchem Wetter sind diese Andendörfer an Tristesse nicht zu überbieten. Ich fand aber eine Pensión mit Sonnenscheingarantie, verkörpert in der Besitzerin, ein Ausbund an Fröhlichkeit, die lachte und schwatzte, egal, ob ich sie verstand oder nicht. Mein Zimmer war sehr spartanisch, aber porentief sauber. Meine schmutzigen Socken wusch ich, wie immer, selber. |
Die archäologischen Relikte sind verstreut über zig Quadratkilometer – einzigartige und immer noch geheimnisumwitterte Steinskulpturen. Über ihre Schöpfer weiß man wenig, in dem feuchten Klima sind fast nur Steinbearbeitungen erhalten. Im nahen musealen Freilichtpark wurden wichtige Skulpturen gezeigt. Interessanter: Mit anderen Besuchern fuhr ich im Jeep und über Feldwege zu den weit auseinanderliegenden Gräberstätten, die meist auf Hügeln lagen. Zoomorphe steinerne Wesen bewachten die Toten, oft in dickwandigen Steinsärgen: u.a. Adler, Schlangen, Frösche, Krokodile und martialische Masken mit Jaguarzügen, die kriegerische Macht symbolisierten. Das meiste entstand in den ersten Jahrhunderten n.Chr. - überwuchert und vergessen, als die spanischen Eroberer kamen. Interessante Besonderheit: El doble Yo – das doppelte Ich – eine Tier- oder Tiermenschskulptur sitzt symbolisch über dem Kriegerkopf (Foto links), ich dummer Tourist habe das dritte Ich draufgesetzt, aber die lokalen Geister um Verzeihung gebeten. |
Es gab nicht nur tonnenschwere und bis zu 4 Meter hohe Skulpturen, sondern auch ein rituelles Waschbecken, wohl von späteren spanischen Hirten kenntnisarm als „Fuente de Lavapatas“, „Quelle des Pfotenwaschens“, benannt (Foto links). Vielleicht dienten die schlangengleichen kleinen Kanäle zeremoniellen und kurativen Zwecken. |
Adler verzehrt Schlange als Machtsymbol? (links)
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Menschengesichtige Schlangen- oder Froschwesen bewachen ein Grab (oben). |
San Agustín - La Plata - Popayán - Pasto - Ipiales an der Grenze zu Ecuador. Nicht in einem Rutsch, aber jeweils nur eine Übernachtung in den Städten. Ich wollte endlich nach Ecuador. Ich konnte nicht überall lange verweilen, obgleich das interessant genug gewesen wäre. - In La Plata hätte es beinahe eine böse Überraschung gegeben. Busfahrten in Lateinamerika sind nicht ohne Gefahr. Kaum ein Bus käme bei uns durch den TÜV. Ich hatte es mir schon abgewöhnt, immer auf die Reifen zu schauen - die meisten waren glattgefahren. Die Busse waren in der Regel überfrachtet - mit Passagieren und Gepäck. Dieses Mal drohte aber eine andere Gefahr. Als ich in La Plata meinen Sitzplatz einnahm, spürte ich, dass mit den beiden hinter mir etwas nicht stimmte. Sie blickten lauernd um sich und sahen wenig Vertrauen erweckend aus. Der Bus sollte jeden Augenblick losfahren - da gellten draußen zwei Pfiffe, drei Männer, wohl Polizei n Zivil, stürmten in den Bus, bauten sich vor den beiden hinter mir auf und forderten sie auf auszusteigen. Sie gehorchten widerwillig. Einer der drei Männer blieb im Bus, schaute sich genau um, griff sich einen weiteren Passanten hinten im Bus und zwang ihn ebenfalls auszusteigen. Mein Sitznachbar zischelte nur ein Wort: Ladrones, Gauner. Von ihm erfuhr ich auf der Fahrt, dass es auf der Strecke Überfälle gegeben hatte, besonders auf Touristen. Es waren noch weitere Touristen im Bus. Da hatten wir wohl noch einmal Glück gehabt. |
Auf keiner längeren Busfahrt in Lateinamerika muss der Magen lange knurren. Lokales "Fast Food" wird durchs Fenster gereicht, oft Spezialitäten der Region. Mitunter warme Tellergerichte. Kleingeld sollte parat sein, denn sonst könnte der Bus vor dem Wechseln losfahren. Wer sich von den Verkäufern mit dem Fahrer gutstand, durfte eine Strecke mitfahren und seine Waren im Gang anpreisen. |
Auf dem Weg nach Popayán erklomm der Bus die hohen Regionen des Páramo, eine typische Andenzone (links), zur Regenzeit meist wolkenverhangen und neblig, niedrige Pflanzen, Farne und Sukkulenten, harte Gräser. Trotz Unwirtlichkeit immer wieder Hütten der Indios, der ärmsten der armen. |
Am Zentralplatz von Popayán |
Wenige Kilometer von Ipiales in einer tiefen Schlucht des Río Guaítara: Santuario de Las Lajas, gilt als zweitgrößtes "Wunder" Kolumbiens, vor 250 Jahren soll ein taubstummes Indiomädchen geheilt worden sein. Hunderte Devotionalien und Krücken an der Treppe hinunter zur Kirche "beweisen" die Wundertätigkeit. Im Collectivo zurück von Las Lajas sitze ich neben einem Priester, der - welcher Zufall - Deutsch spricht. Auf meine Frage nach den Wundern nickt er und zwinkert gleichzeitig und vielsagend. |
Wallfahrtskirche von Las Lajas |
Ach so - und dann bin ich in Ipiales nahe der Grenze zu Ecuador doch noch länger geblieben, sehe ich gerade im kriminell lückenhaften Tagebuch. Ipiales ist nicht gerade das Juwel Kolumbiens, aber die Residencia Sol war gut und billig, 25 Pesos, Zimmer oben auf Flachdach, heißes Wasser, ich wasche das, was nötig ist, nicht nur die Socken. Und denke, dass hoffentlich nicht auch hier die Polizei kommt, wie in Pasto vor zwei Tagen. Dort kam sie und checkte die Zimmer des Hotels, in dem ich war. Auf der Suche nach Drogen? Ich weiß es nicht, jedenfalls erzählte man mir später, dass Hotelbesitzer oder Angestellte schon mal heimlich Drogen in Zimmern von Touristen verstecken, die Polizei dann einen Erfolg vermelden kann und die Informanten einen Obolus einstecken. Wenn es stimmt, eine fiese Art. In meinem Zimmer waren aber nur Cucarachas, angetörnt durch achtlos liegen gelassene Essensjoints. Ich blieb länger, weil ich einige Jungs traf, die hoch auf den nahen Vulkan Cumbal-Chiles steigen wollten. Nicht schlecht und ich schloss mich an. Völlig naiv, wie sich herausstellte, aber der Versuch war schon ein Erlebnis. Der Bus nach Cumbal, dem Ort unter dem Vulkan, war ein umgebauter Lastwagen, "chiva", Ziege, genannt, der Paria unter den Bussen Lateinamerikas, hölzerne Sitzbänke, die Seiten offen. In Cumbal noch eine stärkende Suppe, dann Aufstieg auf steinigen steilen Pfaden. Schwarz gekleidete Indios. Viele gallopieren auf Pferden an uns vorbei, sind neugierig und freundlich, fragen nach dem Woher und Wohin. Überall Strohdächer der Indiohütten. Tiefe Armut scheint hier nicht zu existieren. Rinder werden abgetrieben, wir müssen hektischen Bullen ausweichen, die Indios lachen. Schließlich wird es stiller, sehr still, wir haben eine Lagune erreicht, Zeit zum Ausruhen, aber noch lange nicht am Vulkan. Der liegt lockend links mit Schneehaube und in ziemlicher Entfernung. Es ist schon spät. Wir Naivlinge! Zurück ist die einzige Möglichkeit. Der Trost beim Abstieg: Ich beobachte meine ersten Kolibris, die vor Kaktusblüten schwirrend "stehen". Von Cumbal nimmt uns ein Lastwagen zurück nach Ipiales. Am Morgen darauf: Taxi zur Grenze Ecuadors, kolumbianische Seite noch geschlossen, 2 Stunden gewartet, doch ecuadorianische Seite erst um 14 Uhr auf, weiter gewartet, ich treffe David und Dirk, Australier, wir überbrücken die Zeit mit Schachspielen. Endlich in Ecuador, man musste 10 Dollar pro Tag für den Aufenthalt dort haben, laut Zoll. |
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