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Ein totes Wrack, Matanzas und quicklebendige Wracks
Am nächsten Morgen war Pablo gut drauf, hatte er doch am Abend davor auf die üblichen Cocktails verzichtet. Er war klammheimlich auf sein Zimmer entschwunden, das wäre Teo nie passiert, dachte ich. Aber gut, Pablo, no hay problema, bist ja auch schon älter und jeder muss sein Kräfte einteilen. Besser die Kraft erneuert und dann gut gesteuert!
Während tags darauf Roberto und ich in den Sitzen des Ladas hingen und Königspalmen und Bauernhäuser tranig an uns vorübergleiten ließen, rief Pablo unvermittelt:
Das Wrack!
Wohlgemerkt, er rief nicht „Ein Wrack“, sondern „Das Wrack“. Er kannte es wohl schon. Ich horchte auf. Wir fuhren die Küste entlang Richtung Matanzas und vor meinen Augen ragten die Überreste eines einst wohl imposanten Schiffes auf, jetzt gelb-rostig-braun von der Sonne verfärbt, ein mächtiges Wrack.
Liegt schon lange da, fügte Pablo hinzu. Wir waren in der Nähe von Matanzas, einer Kleinstadt, deren Name „Töten, Schlachten“ bedeutet und diesen Eindruck macht auch das Wrack: Nur ein Skelett war übrig geblieben, ausgeschlachtet und ausgebleicht von der Tropensonne. Aber irgendwie eine majestätische Leiche.
Klar, dass ich rief: Una foto, por favor! Der Lada stoppte abrupt, Pablo verstand verständnisvoll. Ich stieg sofort aus, doch Pablo rief mir zu:
Cuidado, diente de perro! – Vorsicht, Hundezähne!
Hundezähne? Ich hielt das für einen Scherz. Wieso Hundezähne, Pablo?
Dann merkte ich langsam, was er meinte, als ich mich dem Wrack näherte. Der Kalkstein des Ufers war so spitz und scharf vom Salzwasser geformt, dass ich nur wenige Meter gehen konnte, ohne meine Schuhe zu ruinieren. Die „Hundezähne“ verbissen sich in meinen Sohlen. Der spitze Kalk mit dem treffenden Namen war der beste Wachhund für das Wrack. Pablo grinste wissend und Roberto tat so, als ob er von dem Wissen Pablos schon immer wusste.
Matanzas: Am Parque Libertad |
Matanzas: Am Ufer des Río San Juan |
Lebendige Wracks - Oldtimer
Auch wrackige Zombies können sehr lebendig sein, nicht nur auf Haiti, auch auf Kuba. Besonders die mechanischen Zombies, die Oldtimer, die schon mit einem Bein den Friedhof betreten hatten, aber die – schon halbtot – ins Leben zurückrepariert wurden – von wahren Wunderheilern mit magischen Drähten und fantasievollen Innereien anderer, nun wirklich dahingeschiedener Blech-Individuen.
Sie gleiten stolz über den Asphalt, in der feuchtflirrenden Luft Kubas und wenn man ihnen erstaunt hinterher sieht, offenbaren sie auch dem Unkundigen ihre Namen – Buick, Cadillac oder Chevrolet. Die umblechten Zombies des vorrevolutionären Kuba. Zurückgelassen von denen, die die Revolution überraschte. Unterwegs durch die Insel überholten wir sie meist, die stattlichen Retro-Karossen, ihre Fahrer winkten selbstbewusst, grinsten nachhaltig. Einige winkten entschuldigend nach dem Motto: Luxus, aber langsam.
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