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Von Inselflucht und guter Schulung
Der nächste Morgen meldete sich schon fast schon routinemäßig mit einer leichten Brise, die die frühe Schwüle erträglich machte... und wie gehabt... mit Rührei auf Toast. Wie das Hotel hieß, habe ich vergessen. Das Rührei war würzig, aber das Toastbrot schmeckte nach tropischen Socken – zu wenig um dem Hotel eine wache Erinnerungsspur zu verleihen.
Pablo war auch wenig euphorisch und kratzt schnell das Ei vom Brot. Roberto war weniger empfindlich oder sehr hungrig oder konnte noch nicht klar blicken - er merkte jedensfalls nichts. Beide genossen den Kaffee sichtlich und ich schmeckte auch sofort: Café criollo, echter Kaffee, kein Muckefuck, ein kleines Wunder! Die Kellnerin lächelte. Ich gab ihr ein Trinkgeld, etwas heimlich, denn das war damals in Kuba eigentlich nicht gern gesehen, jedenfalls nicht offiziell. Zu kapitalistisch? Ich kenne aber keine Bedienung, die ablehnend war, es musste nur diskret geschehen.
Nur noch wenige Tage bis zum Ende der Reise im Staatstaxi mit Roberto und Pablo. Was mochte wohl Teo inzwischen machen? Saß er noch in Santiago, rauchte eine Zigarre nach der anderen und wartete auf die Reparatur seines Ladas? Hatte er seinen Kaffee-Flachmann wieder aufgefüllt? Hatte er eine Trommel für seine Fingerübungen gefunden?
Pablo jedenfalls steuerte seinen Wagen und uns unbeirrbar weiter und erzählte noch unbeirrter zum wiederholten Mal seine Familiensaga mit einer interessanten Neuerungen, die mich sofort aufhorchen ließen. Ein Schwager von ihm hatte die Überfahrt nach Miami, Florida versucht. Ja, und er, Pablo, verurteilte das natürlich. Er schaute prüfend zu Roberto, der keine Miene verzog. Inselflucht galt als Verrat und wer erwischt wurde, landete wohl in den nicht allzu gemütlichen kubanischen Gefängnissen und das für Jahre. Na und, fragte ich, gelang die Flucht? Nein, antwortete Pablo, der Schwager ertrank. Roberto blickte ihn prüfend von der Seite an und sagte so etwas wie: Das war aber auch sehr dumm von ihm! Ja, fügte Pablo noch hinzu, der Schwager hatte mit anderen ein Floß gezimmert und mit verlöteten Benzinkanistern versucht, es seetüchtig zu machen und dachte, es würde so nicht untergehen. Der arme Irre! - Er schaute noch einmal schnell zu Roberto. Der schaute aus dem Fenster. Damit war das Thema beendet.
Wir fahren mal zu einer Schule, gab Roberto plötzlich bekannt, als ich so während der weiteren Fahrt vor mich hindöste und an gar nichts Böses dachte. Und schon wies er Pablo an, in einen Schotterweg einzubiegen. Eine Schule? Was nützte mir eine Schule für den Reiseführer? Ich dachte an meine erste Kuba-Reise, eine organisierte Gruppenreise, wo man uns reihenweise die Errungenschaften des Sozialismus präsentierte, u.a auch eine Grundschule mit einer Vorzeigeklasse und dort einer Unmenge von Bildchen der Kinder an den Wänden.
Ich spürte den unwiderstehlichen Drang zum Gähnen, doch wurde ich bald angenehm überrascht. Diese sogenannte „Realschule auf dem Lande“ war etwas Besonderes. Ich sah keine Klassenräume, sondern apfelsinenpflückende Jungen und Mädchen in Arbeitskleidung.
Diese Art von Schule erwirtschaftete einen Teil ihrer Kosten aus dem Verkauf von selbst angebauten Früchten und Gemüsen. Prinzip auch: Die Kinder sollten das harte Leben der Bauern kennen lernen, bevor sie vielleicht einen Bürojob fern der ländlichen Realität machten. Die Kinder trugen auch meist nicht die üblichen „Uniformen“, die sonst je nach Farbe signalisierten, welcher Schulstufe sie angehörten.
Natürlich hing in der Halle ein Bild von Fidel Castro, El Comandante en Jefe, aber eher von bescheidender Größe, daneben Breshnew. Che Guevara war natürlich auch an der Wand, aber nicht nur in heroischer Pose, auch gemütlich Zigarre paffend. Weniger Plakate mit Slogans, die man sonst so sah, wie: Vaterland oder Tod – oder: Nieder mit den Würmern (damit waren die geflohenen Exilkubaner gemeint) – oder: Sozialismus in alle Ewigkeit – oder: Nieder mit den Yankees.
Sozialistisch belabert von dem Direktor wurde ich nicht, war ihm wohl zu unergiebig für einen einzelnen Besucher. Er war recht jovial-locker und ich verdanke ihm ein Glas des besten Grapefruitsaftes, den ich je getrunken habe. Das sagte ich ihm auch und als Dank lobte er die Charaktereigenschaften der Deutschen: Fleiß, Ordnung, technisches Können. - Ich widersprach nicht.
Roberto merkte wohl an meiner Miene, dass ich jedenfalls nicht gelangweilt war. An der Bar des Hotels, das wir abends ansteuerten, erzählte er mir von seinen Söhnen, die das „Abitur“ ansteuerten, in La Habana. Er lobte das kubanische Bildungssystem, wo alle Kinder kostenlos zur Schule gehen und gefördert wurden, anders als in den meisten Entwicklungsländern.
Darauf tranken wir mehrere Mojitos, denn da konnte ich Robertos Stolz nachvollziehen.
Schüler/innen in einer Kleinstadt nach dem Unterricht, vielleicht deshalb so vergnügt. Primarschüler 6-11 Jahre tragen Weiß und Rot mit Halstuch, Sekundarschüler 12-15 Weiß und Gelb, nach höhere Sekundarstufe 15 - 18 Jahre "Abitur" (bachillerato). |
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