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Schönes neues Indianerdorf Guamá
Na gut, Teo hielt sich wach mit seinem Kaffee-Flachmann. Von der Autobahn bog er den Lada koffeingestärkt und flott nach Süden ab. Das Ziel war Guamá – das Indianerdorf.
Nein, Indianer gibt es freilich nicht mehr auf Kuba. Die wurden schon recht bald nach der Landnahme des Kolumbus 1492 weitgehend ausgerottet – durch eingeschleppte Krankheiten, ungewohnt harte Arbeit in Bergwerken und auf Plantagen und grausame Behandlung durch die Spanier. Negersklaven ersetzten sie dann. Sie waren widerstandsfähiger. Interessanterweise kam diese Idee von dem katholischen Bischof Las Casas, der es später wohl bereute, wollte er doch eigentlich nur die Indianer retten. Deren Elend hatte er erlebt, auf eigenen Ländereien auf Kuba.
Um nach Guamá zu gelangen, musste ich ab La Boca an der Straße ein Boot nehmen, durch einen langen schnurgeraden Kanal zur Laguna del Tesoro, einem See, an dessen Rand das Dorf auf vielen kleinen Inseln liegt. Der Legende nach versenkte der gegen die Spanier kämpfende Indianerhäuptling Guamá seine Kostbarkeiten in dieser „Schatzlagune“. Die Legende blieb Legende.
Teo und Roberto verzichteten großzügig auf die Fahrt, richteten sich gemütlich ein in der Cafetería der Ablegestelle und genehmigten sich einige Drinks.
Die „Indianerhütten“ von Guamá liegen malerisch inmitten vielen Kokospalmen, unvergleichlich, waren aber nur ein potemkinsches Dorf, äußerlich realistisch indianisch, aber innerlich wie Bungalows, für Touristen akzeptabel modern eingerichtet. Wer hier logierte, konnte angeln gehen auf dem See. Gäste waren oft ausländische Diplomaten, damals besonders Häuptlinge aus den kommunistischen Ländern.
Müllmänner und Krokodile
Vom Boot, das mich durch den langen Kanal zurückbrachte, langsam tuckernd und etwas schwankend, konnte ich zum ersten Mal Kubas Müllmänner erblicken. Das waren nicht etwa hochgeehrte sozialistische Werktätige, sondern Geier. Sie wippten auf den Ästen einiger Bäume entlang des Kanals.
Sie waren im Augenblick nicht werktätig, aber wenn sie ans Werk gingen, verrichteten sie für Kuba und seine Bewohner eine Segen bringende Arbeit. Sie stürzten sich auf Aas aller Verwesungsgrade, vom leckeren frisch verendeten Kaninchen bis zum fast ausgetrockneten Krokodil. Sie sind die Hygiene-Polizei der Insel und als solche staatlich geschützt – schwarze Rabengeier mit rotem Kopf. Auf wen warteten sie wohl jetzt? Immerhin kreisten sie nicht über den Insassen unseres Bootes – was sehr beruhigend war.
Apropos Krokodile. In den nahe gelegenen weitläufigen Zapata-Sümpfen sollten noch viele herumkreuchen, allerdings auch vom Aussterben bedroht. In der vorrevolutionären Zeit wurden sie anscheinend erbarmungslos gejagt und zu den von den amerikanischen Touristen begehrten Kroko-Taschen verarbeitet. Ob Marilyn Monroe auch so eine hatte? Auf Kuba war sie jedenfalls auch.
An der Abfahrtsstelle zu Guamá, im dortigen Restaurant La Boca, gab Roberto mir die Speisekarte und deutete gezielt auf den Eintrag im Menü: Krokodilfleisch – carne de cocodrilo. Die Wanderung des „r“ an die richtige Stelle im spanischen Wort beherrschte ich nicht so ganz und kam ins Stottern. Teo grinste.
Meine Neugier kannte keine Grenzen, ich fühlte es als Verpflichtung für den Reiseführer, jetzt recherchierend zu kosten. Nur beim Preis des Menüs drehte sich mein Magen um, wieder Dollar-Abzocke eines Touristen, Fidel brauchte wohl Devisen. Roberto und Teo griffen zum billigeren Hähnchenfleisch.
Das Fleisch schmeckte - nicht besonders! Jedenfalls nicht exotisch, faserig noch dazu, so wie gealterter Ochse. Vielleicht hatte ich auch zu viel erwartet. Teo meinte: Hast sicher einen alten Burschen erwischt. Roberto tat etwas verlegen, wollte sich beschweren. Aber ich winkte ab. Schlecht wurde mir jedenfalls nicht. Später auf der Reise probierte ich trotz dieser Warnung noch einmal Krokodilsuppe, die war ganz lecker, aber Fleischstückchen waren nicht drin – vielleicht deshalb.
Die missglückte Kostung war eigentlich unbegreiflich, denn nebenan wurden Krokodile massenhaft gezüchtet, hier war die größte Krokodilfarm Kubas. Klar, dass ich das sehen musste. Und zur rechten Zeit, nämlich der Fütterung. Die kleinen Dinosaurier machten ein Höllenspektakel, stürzten sich erbarmungslos über- und gegeneinander auf die Fleischballen, wirbelten Schlamm und Wasser der Becken zu dreckigen Fontänen auf, wir Zuschauer mussten in Deckung gehen.
Kein Wunder, es handelte sich um die endemische Art Crocodylus rhombifer, schon der Name ließ mich beeindruckt zurück, ein ausgewachsener Bursche konnte fünf Kilo Fleisch auf der Stelle verschlingen. Doch dann konnte er einige Tage verdauend in der Sonne dösen– wiederum eine sedierende Vorstellung. Ich erfuhr, dass die Kleinen, die Cocodrilitos, noch im Ei Gefahr liefen, von der „Raben“mutter gefressen zu werden. Die Eier werden den Kroko-Mamas deshalb rechtzeitig entwendet und separat ausgebrütet. Danach könnten sie rund 100 Jahre alt werden, wurden aber nach etwa 7 Jahren zu Handtaschen. Sicherlich heutzutage nicht mehr, denn die Einfuhr nach Europa ist verboten.
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