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Zimmer mit Weitsicht und Damen mit Einsicht

Roberto war eher der Typ schweigsamer Kubaner. Die Fahrt vom Flughafen in die Stadt war eher eine Art Interview - ich fragte, Roberto antwortete. Lange Pausen dazwischen. Sein Deutsch war nur leidlich und er hatte vielleicht deshalb Hemmungen. Und ich hatte Hemmungen Spanisch zu sprechen. Erst einmal. Später auf der Reise wechselten wir hemmungslos von einem Idiom ins andere, auch mitten im Satz. Wir sprachen eine Art „Despañol“.
Die Fahrt ging nicht gleich zum Instituto, erst einmal zum Hotel Habana Libre, eins der größten und ein Riesenklotz, aber mit großartigem Blick auf die Stadt, wenn man denn das richtige Zimmer erhält. Ich hatte Glück. Später erfuhr ich, dass Fidel Castro nach seinem siegreichen Einzug in La Habana 1959 ein Zimmer angeblich auf der gleichen Etage hatte. Mein Zimmer war wohl auch noch aus dieser Zeit, denn es roch leicht muffig. Muffig-kalt, denn die Klimaanlage funktionierte zu gut. Auf dem Teppichboden interessante Muster: helle und dunkle Flecken mit Konzentration in der Sitzecke. Mein Gedanke, dass die Castro begleitenden Revolutionäre damals ihren Sieg hier vielleicht ausgiebig begossen, erheiterte mich.
Begießen? Guter Gedanke! Jetzt ein planmäßiger Griff in den Mini-Kühlschrank, um auch meinen siegreichen Einzug zu feiern – ein Cuba Libre war nötig, Rum und Cola vorhanden. Nichts verkleckern, du Kapitalist! Ist nicht gratis wie sicherlich für die Genossen in 1959. Sogar eine Limone liegt hier im Kühlschrank, eingetrocknet, aber drei Tropfen gibt sie noch her. Noch eine Zigarette anstecken und dann gemütlich den Blick auf die Stadt genießen.
kuba-cuba-havanna-teilsichtIch begrüßte mich selbst: Bienvenido, Arnulfo, en La Habana de Cuba!
Meine Augen in der ersten Nacht zumachen? Nada de eso! Der Jetlag hatte wohl zugeschlagen, irgendwie war ich aufgekratzt trotz eines weiteren Drinks – jetzt straight - und dann noch einer. Irgendwann war ich doch eingenickt - und dann weckte mich das Telefon.
kuba-cuba-havannaEine Frauenstimme – dann gleich eine Männerstimme: Hier Roberto, bist fertig? Ich warte. - Es war schon hell. Peinlich, verschlafen! - OK, grunzte ich, zehn Minuten, ja?
Er stand schon an der Rezeption und murmelte: Beeilung. - Ein Taxi wurde herangewunken, aber nicht von uns, sondern von einer Art Taxi-Wart, der die Taxis vor dem Hotel zuteilte.
Ab ins Instituto,  Roberto schaute auf seine Uhr, ständig, sprach noch weniger als gestern. Dünner Verkehr und nach rund zehn Minuten waren wir da. Roberto ging, nein lief vor - durch Gänge und nochmals Gänge, ich hechelte hinterher, er klopfte dann irgendwo, keiner antwortete, er öffnete die Tür und  – und keiner war da!
Zu spät, Roberto? fragte ich besorgt. Nein, die kommen, beruhigte er mich.
Und dann kamen sie nach rund zwanzig Minuten, wir hätten uns nicht so beeilen müssen. Eine ältere Frau, so um die 50, Haare hochgesteckt, hager, ernst aber nicht verbissen, verzog ihre Mundwinkel zu einem sparsamen Lächeln. Das war wohl Josefina, die mir den Brief geschrieben hatte - ja, sie stellte sich vor. Die zweite Frau, sehr viel jünger, hellhäutige Mulattin, hübsch, ihre Augen blitzten, sie lächelte mich an und trug anscheinend meine "Akte" unter ihrem Arm. Sie stellte sich nicht vor. Ihr Lächeln genügte mir. Als letzter erschien ein hellhäutiger Kubaner, der aber dann meist nur dasaß und kein Wort sagte. Da er ab und zu nickt, war er vermutlich nicht ganz unbedeutend.
Josefina führte Regie, die Jüngere lächelte und der Mann nickte hin und wieder ganz entspannt – oder auch nicht. Ich bemühte mein Spanisch und Roberto sagte - nichts, rein nichts, blickte nur scheinbar gelangweilt.
Wie ich mir denn die Reise durch Kuba vorstelle? Wohin ich denn fahren wolle? Ich sage: überall hin, falls möglich. - Wie lange denn? - Ich frech: drei Wochen. - Ernste Lady, jetzt lächelnd: Hm. -  Zweite Lady schaut erstaunt, lächelt dann wieder, notiert. Der Kubaner nickt  nicht.
Josefina: Zwei Wochen sind okay, ist machbar. Taxikosten stellen wir, du musst Hotels und Essen selbst bezahlen. Überleg es dir, Arnulfo. - Erst einmal Gesprächspause. Ich gehe mit Roberto vor das Gebäude und muss eine rauchen. Biete Roberto eine an, eine von jenen, die Cowboys rauchen und auf Kuba sehr gefragt sind. Er lehnt ab, Nichtraucher. Er hat etwas auf dem Herzen, das merke ich. Hör mal, sagt er dann, wenn du weiterhin so Spanisch sprichst, werde ich eventuell gar nicht mitkommen können. Bis dato wusste ich gar nicht, dass Roberto als Reisebegleiter (und Dolmetscher) vorgesehen war. Das wurde mir jetzt erst richtig klar. Er muss mit, dachte ich.
kuba-cuba-havanna-kubanerAls wir wieder mit den Frauen zusammensitzen, versagt mein Spanisch zunehmend, ich ringe nach Worten. Den Bedingungen stimme ich radebrechend zu. Zwar ist alles doch nicht ganz umsonst, aber wenigstens das Taxi. Zwei Wochen Rundreise, dann eine Woche irgendwo privatim am Strand, alles verdauen und Seele baumeln lassen. Ich bin zufrieden.
Todo claro, Josefina lacht aufmunternd, die zweite Lady lächelt mich gefühlt verführerisch an und der schweigsame Mann nickt zweimal. Alles klar: Adiós und gute Reise!
Abschied. Händedruck. - Es kann losgehen. Mit Roberto als Reisebegleiter und einem anderen Kubaner als Chauffeur,  er heißt Teo. Wir drei zusammen - zwei Wochen lang durch Cuba – das könnte spannend werden

Nun geht es los? – Mañana!

Eigentlich sollte es schon am nächsten Tag losgehen. Eigentlich!
Ich wartete auch schon an der Rezeption des Habana Libre, etwas tranig, weil es erst 8 Uhr war und der Jetlag wohl immer noch nicht überwunden war. Oder waren es die Cocktails an der Bar des Hotels am Abend zuvor? Erst ein Mojito. Standardcocktail. Ich musste genau hinschauen, denn der Barkeeper mixte im Zeitraffer: drei Teile Ron Blanco - weißer Rum -,  Zucker und Saft einer halben Limone, on the rocks, leicht mit Soda aufgegossen, einen Minzenzweig hinein, leicht zerdrückt für schnelles Aroma. Der Mojito wäre ja noch im Rahmen des Verträglichen gewesen, aber ich kam auf den kleinen Cocktail-Trip. Der emsige Barkeeper wollte mir unbedingt noch eine Mulata mixen, eine Mulattin, was er auch mit verschmitzem Grinsen tat, der Hinterhältige. In drei Teile Rum drückte er eine halbe Limone, auf Eisschnee, und dann noch die namengebende braune Komponente: Kakaolikör. Davon zwei, weil die Mulattin so gut schmeckte, einfach lecker und tropisch, aber auch nachhaltig sedierend, jedenfalls bei mir zu der nächtlichen Stunde.
kuba-cuba-havanna-siestaIch schlief wohlig gut und meine letzten Gedanken kreisten um die Frage, ob eine Mulata auch äußerlich angewendet so gut schmecken würde. Die Kubaner schwören darauf. Leider lernte ich keine reale Mulata kennen - der Beweis blieb aus.
8 Uhr morgens im Foyer. Ich dachte, ich könnte zu Beginn der Reise noch etwas im Wagen dösen. Das war ein Irrtum. - Anruf Roberto. Der Mann an der Rezeption gibt mir den Hörer. - Wagen kaputt, Arnulfo, aber Reparatur, Morgen wieder fit, Entschuldigung. –  Ich wollte aufs Zimmer zurück, verlangte nach dem Schlüssel. Nein, das Zimmer hier ist wieder belegt, gibt mir der Mann an der Rezeption zu verstehen. Bitte fahr zum Hotel Inglaterra, dort ist ein Zimmer frei. Ich rufe dir ein Taxi. Comañero Roberto hat gebucht.
Na herrlich! Erst mal ein gelinder Schock, dann fiel es mir wieder ein: Das Inglaterra liegt am Rande der Altstadt, günstig, um das alte La Habana noch einmal zu erkunden. Denn wer weiß, wie lange die Wagenreparatur dauert.
Der Taxifahrer zum neuen Hotel wird mir immer in Erinnerung bleiben. Was mich zuerst etwas wurmte: Er beachtete mich gar nicht. Vielleicht, weil meine wenigen Gepäckstücke,  nur eine größere Reisetasche und mein Kamerakoffer, nicht gerade seine Hochachtung hervorrief. Ein Tourist ohne furchterregenden Hartschalenkoffer, sicher ein kleiner Fisch. Er pfefferte alles in den Kofferraum, leise pfeifend.
Ich sagte: Hotel Inglaterra, por favor. Er blickte an mir vorbei und brummte: Sí, sí. Das war alles, was er an gesprochenen Worten auf der Fahrt herausbrachte. Bald darauf aber legte er los – er begann eine Arie zu singen mit einer Stimme, die mich, nicht gerade ein Opernliebhaber, etwas an Pavarotti erinnerte. Er sang die ganze Fahrt ohne zur Seite zu blicken, in den Kurven wurde er etwas leiser, pianissimo, dann auf gerader Strecke schwoll seine Stimme an, crescendo -  bedeutsames Räuspern zwischendurch. Leichtes Grinsen.
Ich war baff, wagte aber nicht ihn zu unterbrechen. Angekommen vor dem Hotel traute ich mich doch: Eres tenor? Er schmetterte meine Sachen auf den Bürgersteig. Sí! Es war sein drittes Sí. Und dann war er auch schon wieder hinter dem Lenkrad verschwunden und brauste davon.
Das Inglaterra war anders als das Habana Libre: mehr Kubaner, wenige Touristen, aus dem 19. Jh.,  gemütlicher, aber auch etwas mitgenommen. Im Foyer saßen etwas zu kräftig geschminkte hübsche Kubanerinnen, was mich zu nahe liegenden Vermutungen anregte. An der Hotelbar lernte ich zwar später einen gesprächigen und jovialen Kubaner kennen, der mich auf entsprechende Möglichkeiten hinwies nach dem Motto „Sei doch nicht blöd“ und damit die „nahe liegenden Vermutungen“ bestätigte, aber ich blieb „charakterstark“. Dumm wie ich wohl war. Im Aufzug wurde ich auch „naheliegend“ angesprochen. Aber nein, nein. Erst einmal der Reiseführer. Punkt.

 

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