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La Habana - ganz alt und etwas jünger    

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In nächster Nähe des Inglaterra erhebt sich das Capitolio, architektonisch dem Capitol in Washington nachempfunden. Viele lateinamerikanische Länder haben einst das US-amerikanische Capitol nachgebaut, so auch Kuba in den 1920er Jahren, als der US-Einfluss noch groß war. Gegegenüber ein Gebäude mit eindrucksvoller Fassade. An den Tischen davor tranken Kubaner Bier aus großen Pappbechern. Einer spielte Gitarre.

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kuba-cuba-havanna-chinesen Ein paar schnelle Schritte führten mich ins Barrio Chino, das Chinesenviertel im Bereich hinter dem Capitolio. Anfangs bemerkte ich nicht die Spur eines chinesischen Einflusses, doch dann traf ich auf die einzige noch existierende chinesische Zeitung Kubas „Kwong Wah Po“ und konnte mit den Machern sprechen. Sie produzierten ein 8-Seiten-Blättchen, bildlos vollgepackt mit chinesischen Schriftzeichen, etwas größer als DIN4 Format, auf antiquierten Druckmaschinen. Für rund 700 Abonnenten, verriet mir Ramón Wong, da viele oft kein Spanisch lesen. Erscheinung des Blattes: zwei Mal pro Woche. Zwei Exemplare gingen sogar auf die Isla de la Juventud, die „Pinieninsel“, südlich von Kuba.
Ramón Wong war kein „reiner“ Chinese, er hatte viel kubanisches Blut, symbolisiert in seinem Namen. Als die ersten Chinesen im 19. Jh. als billige Arbeiter nach der Abschaffung der Sklaverei hierher kamen und sich niederließen, waren kaum chinesische Frauen dabei. Später kamen chinesische Einwanderer aus Kalifornien, auch meist Männer. Mischehen waren daher zwangläufig. Ramón meinte, es gäbe nur noch ein paar hundert in China Geborene, jetzt hochbetagt. Er wünschte sich eine Renaissance chinesischer Kultur auf Kuba.

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Zwei Häuserblocks nördlich des Capitolio beginnt der Prado. In der Hitze der Mittagszeit war dieser schattige Allee-Boulevard die angenehm kühle Erholung für mich. Verschnaufen auf einer der Bänke. Und das Glück lag gleich gegenüber, allerdings für andere: der Hochzeitspalast von La Habana – El Palacio de los Matrimonios. Ein gepflegter Oldtimer fuhr vor, ein Brautpaar stieg aus und entschwebte ins neoklassizistische Gebäude. Ich vergaß, auch in Farbe zu knipsen. Aber ist das Glück nicht oft schwarz-weiß? Es bestand in diesen Vermählungstagen für das Paar sicher auch in der staatlichen Sonderzuteilung an Essen und Trinken – eine sozialistische Ermunterung für das romantische Herz der Kubaner. Wie schrieb schon der Reisende R. Davey 1898, ganz unideologisch: Sie sind von Natur aus häuslich und herzlich und sehr zufrieden in ihren Familien. Die Männer sind gewöhnlich ausgezeichnete Familienväter, sehr liebevoll zu ihren Kindern, die sie eher verwöhnen.


 

 


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Per Taxi ging es dann durch den Tunnel unter der schmalen Hafenzufahrt  hinüber zum El Morro, einem Fort, das die Spanier der Kolonialzeit bauten, um die Einfahrt zur großen Hafenbucht zu verteidigen. Der Taxifahrer pfiff leise und etwas falsch La Paloma und blickte mich im sparsam beleuchteten Tunnel schelmisch von der Seite an. Ich verstand. Der Song hieß ursprünglich La Habanera de la Paloma. Der Taxifahrer wollte mir sicherlich sagen: Der Welthit kommt aus meiner Stadt. Stimmt wohl. Habanera bedeutet eigentlich „Frau aus Habana“, stand aber im 19. Jh. für eine langsame afrokubanische Salon-Tanzform, die der spanische Komponist Yradier auf seiner Karibikreise aufgriff und zu „La Paloma“, „Die Taube“, vertonte. Eine schöne sehnsuchtsvolle Melodie, wenn auch später matrosenschwülstig inflationiert. - Am Morro angelangt vergaß ich die Weiße Taube mit den romantisch-schräg gepfiffenen Taxinoten. Völlig unromantisch und steinern-martialisch, mit zwölf Kanonen, in seltsamer Symbolik den zwölf Aposteln zugeordnet, wachte das Fort über die Hafeneinfahrt. Wie La Habana verfügt die Insel über einige dieser Bahías de bolso, Beutelbuchten, mit enger Einfahrt in eine weite, geschützte Bucht. Ein effektiver Kanonenbeschuss in kurzer Distanz auf feindliche Schiffe war einst überlebenswichtig, La Habana war Sammelpunkt der kolonialspanischen Silberflotten. - Der Blick vom Morro hinüber auf die Uferpromenade der Stadt, den gerühmten Malecón, jetzt bei tieferstehender Sonne, ließ die bei Nahsicht bröckelnden Fassaden vergessen.

 

 

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kuba-cuba-havanna-balkonIn der Altstadt streifte ich durch die Gassen mit den einst prächtigen Gebäuden, jetzt ziemlich vernachlässigt. Der Blick in die Patios und Hinterhöfe war oft deprimierend. Einige Gebäudeteile waren schlicht eingestürzt, nicht nur weil sie altersschwach waren, sondern weil die Bewohner Zwischendecken in die hohen Räume eingezogen hatten, um mehr Wohnraum zu schaffen. Das schädigte die Bausubstanz und es kam oft zum Einsturz. Die Altstadt wurde  aber auch staatlich vernachlässigt, sie stand für vorrevolutionäre bürgerliche Dekadenz - anderes, Lebenswichtigeres, hatte Vorrang. Fassaden bröckelten, aber ab und zu sah ich imposante erhaltende Architektur im Jugendstil.

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kuba-cuba-havanna-plaza-catedralDie Kathedrale von La Habana wirkt klein und bescheiden, vergleicht man sie mit Kathedralen in Spanien oder Südamerika. Die geldknappen Bauherren begnügten sich hier im späten 18. Jh. mit einer eher schlichten Barockfassade mit angenehm klaren Stil im Vergleich zu dem oft überladenen lateinamerikanischen Mestizobarock. Die Gebeine des Kolumbus ruhten wohl hier einige Jahre, bevor die besiegte Kolonialmacht Spanien sie 1898 mit nach Sevilla nahm. -  Im Hauptschiff der Kirche traf ich dann Luis, besser gesagt, er traf mich. Hinter mir sagte jemand „Hola“ und als ich mich umdrehte, sah ich in ein für einen Schwarzen ungewöhnlich hageres Gesicht. Luis stotterte etwas, aber mit Vehemenz. Er war mir sympathisch, obgleich ich ahnte, was er eigentlich wollte und später auch sagte: eine Jeans aus einem Hotel-Dollarshop. Diesen Wunsch äußerte er wohlweislich nicht in der Kirche. Ich besorgte sie ihm. Den umgerechneten Betrag in Pesos hätte er aber erst in drei Tagen, gestand er bedauernd. Geschenkt, Luis, zu spät, denn dann werde ich schon auf Inseltour sein. Kein großer Verlust, denn immerhin erzählte mir Luis einiges über seinen kubanischen Alltag.

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kuba-cuba-havanna-bodeguitaEin paar Schritte in die Seitengasse gleich links von der Kathedrale und man sieht schon das Schild des berühmtesten Bar-Restaurants der Insel: La Bodeguita del Medio, kurz La B del M. Das „kleine Lokal in der Mitte“ deshalb, weil einst die Lokale meist an den Ecken der Straßen lagen. Seit Ernest Hemingway unter dem Heiligenschein seines Literatur-Nobelpreises hier seine Mojito-Cocktails stationär gekippt hatte, konnten kleine und große Berühmtheiten nicht mehr vorbeilaufen. Ihre Bilder und Dankesrunen tapezieren dicht an dicht die Räume. Ernest zog dann weiter zur El Floridita, um weiter zu kippen, nun allerdings etliche Daiquirís. Sein gerahmter Spruch in der Bodeguita ist berüchtigt: My mojito in La Bodeguita, my daiquirí in El Floridita. Klar und einfach wie sein Schreibstil. Aber seine erste Lektion Spanisch hatte er wohl noch nicht begonnen. Vielleicht spricht Hemingway ja auch aus seiner Romanfigur Harry Morgan: Ich habe Durst, dachte Harry. Was zum Teufel noch mal geht mich … Revolution an.

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kuba-cuba-havanna-fuerza-giraldillakuba-cuba-havanna-kanone-kinderAuf einem Turm des Castillo de la Fuerza schaut die Giraldilla dem Wind entgegen. Das "Wetterfähnchen" soll auf die sehnsüchtig wartende Frau des spanischen Gouverneurs De Soto zurückgehen, der im 16. Jh. auszog, um Florida zu erobern. Die holde Gattin wartete umsonst. Er kam nicht wieder, er starb am Mississippi. Als stilisierte römische Göttin hält sie das Emblem des Ritterodens von Calatrava in der Hand, dem De Soto angehörte. Heutzutage ist die Giraldilla das ritterliche Logo des Rum-"Ordens" Havana Club.

Auf der Uferstraße vor dem Castillo de La Fuerza zeigte mir ein Milizumzug fahnenschwingend lockere revolutionäre Präsenz (l.u.)

Von der gegenüber liegenden Seite der Hafeneinfahrt blickte eine monumentale Christusfigur herüber – dominierend gnädig und mit wohl größerem historischen Weitblick. Ganz am Ostrand der Altstadt sah ich später das, was oft von Geschichte übrig bleibt: bescheidenen Teile der alten Stadtmauer, die nicht vom Feind zerstört wurde, sondern vom Siedlungsdruck nach außen. - Und wer wider Erwarten in La Habana die Geschichte vergessen haben sollte, wurde weit hörbar erinnert - mit dem Cañonazo de las Nueve, dem Neun-Uhr-Kanonenschuss, einst Zeichen zum Schließen der Stadttore und gut in einer noch uhrarmen Epoche.

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